„Inklusive Kunst soll kein exklusives Angebot sein“

Foto von Marin Essl, der die Zeile in Brailleschrift auf der Installation "Die Würde des Menschen ist unantastbar" von Wilfried Gerstel berührt und dabei in die Kamera lächelt.
© Zero Project

Interview mit Martin Essl, der als Unternehmer erfahren hat, welche Vorteile eine Beschäftigung von Menschen mit Behinderung bringt. Als Stifter und Initiator des Zero Projects setzt er sich heute für deren volle gesellschaftliche Teilhabe ein.

Museums Guide: Warum braucht es eine inklusive Kunstvermittlung?

Martin Essl: Weil es sich um ein verbrieftes Recht handelt. Mit der Ratifizierung der UN-Konvention der Rechte von Menschen mit Behinderung 2008 hat sich auch Österreich verpflichtet, Menschen mit Behinderung die volle Teilhabe an allen gesellschaftlichen Errungenschaften zu ermöglichen. Und dazu zählen natürlich auch Museen, die maßgeblich öffentlich finanziert sind.

Museums Guide: Wie sieht ein inklusives Museum für Sie aus?

Martin Essl: Inklusive Kunst schafft Orte der Begegnung und des gemeinsamen Erlebens von Menschen mit und ohne Behinderung. Kunst erweitert das Blickfeld. Man muss das zu einer Option machen, aber ohne Zwang. Inklusive Kunstvermittlung soll allen Menschen – mit und ohne Behinderungen – bereitstehen.

Museums Guide: Das heißt, inklusive Kunstvermittlung bereichert auch das Leben von Menschen ohne Beeinträchtigung?

Martin Essl: Wir alle haben das Bedürfnis, Dinge mit möglichst vielen unserer Sinne zu erleben, damit bleiben diese Erlebnisse auch viel länger in unserer Erinnerung. Das sieht man an Skulpturen im öffentlichen Raum, die an manchen Stellen ganz glatt sind, weil die Menschen sie auch begreifen. Und warum soll das Vibrieren eines Basses für einen hörenden Mensch nicht auch spannend sein?

Museums Guide: Wie sehr bremsen die Aktionen von Klimaaktivisten die Bereitschaft von Museen, ihre Werke derart zugänglich zu machen?

Martin Essl: Natürlich muss ein Kunstwerk bewahrt werden, aber es gibt eine Reihe von Möglichkeiten und Technologien, um ausgewählte Objekte inklusiv zugänglich zu machen. Es ist ohnedies so, dass Menschen, die ein Museum besuchen, nicht jedes Werk, das dort ausgestellt ist, in Erinnerung behalten.

Museums Guide: Kann man überhaupt jede Kunst inklusiv gestalten?

Martin Essl: Im Rahmen des Zero Projects beschäftigen wir uns auch mit der Suche nach innovativen Ansätzen der inklusiven Kunstvermittlung. Die Beispiele zeigen, was heute schon möglich ist und sollen eine Inspiration sein – für Museen, aber auch für die Community von Menschen mit Behinderungen, die erkennen, welche neuen Entwicklungen wo stattfinden.

Über das Zero Project
Jedes Jahr wählen mehr als 1.000 Expert:innen aus dem weltweiten Zero Project Netzwerk die innovativsten und effektivsten „Practices and Policies“ zu einem der vier Kernthemen der UN-Behindertenrechtskonvention: Barrierefreiheit, Beschäftigung, Bildung sowie unabhängiges Leben und politische Beteiligung. Dazu bildet das Thema Information und Kommunikationstechnologie (IKT) einen regelmäßigen Schwerpunkt der Arbeit des Zero Projects ebenso wie die Suche nach Best Practices in der inklusiven Kunstvermittlung. Diese Calls for Nomination führen jährlich zu rund 500 Einreichungen aus über 100 Ländern. 70-80 ausgezeichnete Projekte werden im Rahmen der jährlichen Zero Project Konferenz im UN-Hauptquartier in Wien und in dem dazu erscheinenden Zero Project Report präsentiert.

Details dazu und weitere Informationen zu den Aktivitäten in Österreich finden Interessierte unter zeroproject.org.