Barrierefreiheit und Inklusion in New Yorks Museen – ein Lokalaugenschein

Unter dem Motto MUSEUMS AND THE FUTURE hat Doris Rothauer gemeinsam mit der Außenhandelsstelle der WKO in New York eine 4-tägige Museums-Tour kuratiert und organisiert. Mit einer Gruppe von 13 Museumsexpert:innen aus Österreich haben wir 10 Museen und Kulturinstitutionen in New York besucht und uns dort mit leitenden Mitarbeiter:innen zu Zukunftsthemen ausgetauscht. Dabei haben wir uns auch umgesehen, was im Bereich Barrierefreiheit und Inklusion Standard ist und welche innovativen Wege in der Kunstvermittlung gegangen werden. Hinter dem Kürzel DEIA – Diversity, Equity, Inclusion, Accessibility – stehen oftmals klare Strategien, die ganzheitlich angegangen werden.

Im Metropolitan Museum ist die Willkommenskultur, mit der alle Besucher:innen gleichwertig willkommen sind, schon beim Eingang augenscheinlich. Rollstühle zum Entleihen stehen unübersehbar bei der Garderobe in Vielzahl zur Verfügung, die MItarbeiter:innen am Informationsdeck in der Mitte der Eingangshalle sind auf alle Wünsche vorbereitet und eingeschult.

Informationshefte zu den Sonderausstellungen in Large Print für Menschen mit Sehbehinderungen sind ebenso Standard wie Touch Tours und Touch Collection Sessions, die einzeln oder in Gruppen gebucht werden können. 

Ein Audioguide, der kostenlos über die Bloomberg Connects App erhältlich ist, enthält zahlreiche, eigens dafür erstellt Touren durch die Sammlung und Sammlungsräume, von der „Director´s Highlights“ Tour bis hin zu den „Spotlights“, die sich auf ein einzelnes Werk aus der Sammlung konzentrieren, um es in einen gegenwärtigen Kontext und Diskurs zu stellen.

Der digitalen Zugänglichkeit wird ein vielfaches Augenmerk geschenkt, nicht nur über die App. Zahlreiche weitere online-Ressourcen ermöglichen Menschen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen, aus einer Vielzahl an digitalen Angeboten auszuwählen. Besonders spannend sind etwa die Erzählungen von Pflegerinnen über die heilende Wirkung von Kunst auf ihre Patient:innen oder Geschichten über blinde Künstler:innen, die ihren Zugang zur MET-Sammlung beschreiben.

So wie das MET macht eine Vielzahl an Museen nicht nur ihre Sammlungen und Vermittlungsressourcen online zugänglich, sondern veröffentlichen auf den websites auch ihre jeweilige DEIA-Strategie als Teil ihrer Mission.

Ein Bekenntnis, das sich nicht nur an die Besucher:innen wendet, sondern auch intern in der Mitarbeiterkultur und Organisationsentwicklung gepflegt und gelebt wird. Die diesbezüglich eindrucksvollste Präsentation haben wir im Morgan Library & Museum erfahren. Im Zuge der Arbeit an ihrer Gesamtstrategie hat die Museumsleitung 2017 einen umfangreichen DEIA-Prozess in mehreren Phasen gestartet und in Form von Mitarbeiterkomitees über 4 Abteilungen hinweg intern verankert, die sich einmal monatlich treffen. 

Ausgangspunkt war zunächst das eigene Personal. Eine möglichst diverse Zusammensetzung bei der Personalauswahl, eine gleiche und faire Bezahlung, anonyme Mitarbeiterbefragungen zur Erhebung ihrer Bedürfnisse, Raum für gegenseitigen Austausch und Dialog über Hierarchien hinweg sowie Mitarbeiter-Trainings waren das Ergebnis.

Im Bereich Outreach war es das klare Ziel, das konservative Stammpublikum zu erweitern und möglichst viele neue Zielgruppen anzusprechen, durch eine stärkere Zusammenarbeit der Abteilungen Marketing, Kuratieren, Vermittlung und Forschung. So wurde beispielsweise der Anteil an schwarzen Besucher:innen verdreifacht sowie inklusive Vermittlungsprogramm für Menschen mit Behinderungen entwickelt, die mittlerweile 11% des Publikums ausmachen.  

Auch die Sammlung ist Teil der laufenden Auseinandersetzung mit den Themen DEIA. Was sammeln wir, was stellen wir aus, wie können wir marginalisierte Stimmen im Programm repräsentieren, wie vermitteln wir unsere historische Sammlung auf eine kulturell respektvolle Art und Weise, wie müssen wir manche Narrative neu schreiben – solche und andere Fragen bestimmen den internen Diskurs darüber.

„DEIA is a lense on everything we do“, so Jessica Ludwig, Deputy Director The Morgan.

Ähnlich strategisch ist DEIA in den Kernwerten und der Mission des Brooklyn Museums verankert.

„We are not just a museum, we are a community place“, sagt Keonna Hendrick, Deputy Director of Learning and Social Impact. „Our mission is to bring people together though art and experiences that inspire celebration, compassion, courage and the will to act.“

Dazu hat das Museum 4 Grundhaltungen definiert:

  • We believe in the Transformative Power of Art
  • We inspire Connection and Belonging
  • We support Freedom of Expression
  • We embrace Complexity

In diesen Grundhaltungen ist auch die umfassende DEIA-Strategy eingebettet, für deren Umsetzung drei Abteilungen zuständig sind: Public Programs, Education und Community Engagement. Grundprinzip dabei: „All our programs are for ALL people.“ Das bedeutet auch:

  • Den physischen Aktivitäten vor Ort und dem persönlichen Kontakt und Austausch wird mehr Gewicht gegeben als der online-Präsenz,
  • Inklusion wird in einem sehr umfassenden Sinne gelebt, für alle communities, die in Brooklyn angesiedelt sind – „We have to stand up for our communities“,
  • Die Aktivitäten finden auch außerhalb des Museums statt, wie zum Beispiel „Museum on Wheels“, ein Airstream Wagen, der zu verschiedenen communities unterwegs ist.

Ein wichtiger und unübersehbarer Aspekt ist die barrierefreie Gestaltung von Ausstellungen, die auf unterschiedlichste Bedürfnisse Rücksicht nimmt. Objektbeschriftungen etwa sind über einen Touchscreen aufrufbar, der weiterführende Informationen liefert und barrierefrei gestaltet ist. Unterschiedlichste Sitzgelegenheiten in allen Räumlichkeiten sind ein weiteres gestaltendes Element, das sich als Antwort auf Besucherbefragungen durchzieht. Beispielsweise wurde ein Raum mit historischen Portraits mit den entsprechend historisierenden Bänken ausgestattet, und die Hängung der Gemälde ungewöhnlich tief vorgenommen, sodass man im Sitzen auf Augenhöhe mit den Portraitierten ist.  

Die von der derzeitigen Regierung am 20.Jänner ausgegebene executive order „to end radical and wasteful Government DEI programs and preferencing“ , davon bleiben die meisten Häuser, unbeeinflusst, dank ihrer mehrheitlich finanziellen Unabhängigkeit von (federal) Regierungsfördermitteln. Im Gegenteil – Werte, Missions und Strategien werden geschärft. We remain committed, das hören wir überall, auch unter erschwerten Bedingungen.